Alles auf Jetzt!
Die meisten Lebensgeschichten handeln von Helden oder von Antihelden. Kaum liest man mal von ganz normalen Menschen. Doch von denen handelt das Buch von Christine Färber und Simone Unger. Genauer gesagt von Frauen in ihrem 35. Lebensjahr. Die beiden Autorinnen haben sich diese beiden Bedingungen für Ihre Interviewreihe überlegt und sind quer durch Deutschland gefahren um ihre Gesprächspartnerinnen zu treffen.
Dabei sind sehr intime mehrseitige Lebensberichte entstanden, die eine besondere Phase im Leben der Frauen beschreiben. Die Themen sind fast in jedem Interview die selben. Doch die individuellen Lösungen und Herangehensweise sind sehr spannend!
Es geht viel um Karriere und berufliche Erfolge und Ziele und die ganz individuelle Sicht jeder einzelnen Frau auf dieses Thema. Die einen grübeln noch über ihren Kinderwunsch nach, die anderen haben sich bereits für oder gegen die Familiengründung entschieden. Die Beziehungen, die aktuellen und vergangenen, beschäftigen die Menschen wohl in jeder Phase ihres Lebens. Trotzdem ist die Frage nach der Partnerschaft vor allem bei Frauen Mitte Dreißig existentiell wichtig.
Unterschiedliche Leseerlebnisse
Ich habe (für meine Verhältnisse) lange gebraucht um dieses Buch zu lesen. Und noch viel länger habe ich gebraucht um herauszufinden, warum: Im Gegensatz zu den allermeisten anderen Lebensgeschichten und Erfahrungsberichten, die man so liest, sind die Geschichten in „Alles auf Jetzt“ nicht abgeschlossen. Deswegen fiel es mir auch nach jedem Kapitel schwer, damit abzuschließen und es vergingen teilweise Tage, bis ich mich bereit für das nächste fühlte.
Das bedeutet nicht, dass mir das Buch nicht gefallen hat. Im Gegenteil. Es hat mich tief bewegt. Denn zum einen faszinieren mich gerade die Geschichten der normalen Menschen und insbesondere der Frauen. Zum anderen bin ich mit knapp 32 Jahren verdammt nah an der 35, dem verbindenden Element in diesem Buch.
Auf Twitter habe ich mich mit der Podcasterin Sarah Schäfer über „Alles auf Jetzt“ ausgetauscht. Sie hat sich das Buch auf meine Empehlung hin sofort gekauft und schnell ausgelesen. Da ich mich mit dem Buch so schwer getan habe, habe ich sie dazu eingeladen, mir von ihrem Leseerlebnis zu berichten. Denn es hat mich wirklich interessiert, warum wir beide mit diesem Buch so unterschiedlich umgegangen sind. Sarah schreibt mir:
Gewöhnungsbedürftig fand ich zu Beginn nur den Stil der Interviews. Weil die Einleitungs- und Zwischentexte der Autorinnen durchweg schön zu lesen sind, war ich zunächst irritiert von dem abweichenden Stil der Interviews. Die Sprache ist näher an der gesprochenen als an der Schriftsprache und beim Lesen holperte es bei mir zu Beginn ganz gewaltig. Nach einer kurzen Gewöhnungszeit ist das dennoch für mich ein gut gewählter Kompromiss: die Interviews sprachlich völlig zu glätten, hätte sicher viel von den Eigenarten der befragten Frauen genommen, hätte ihre Persönlichkeit verschwinden lassen. Also haltet durch, gebt dem Sprachstil eine Chance, ihr werdet euch dran gewöhnen und im besten Fall die Frau durchhören, die ihre ganz persönliche Geschichte erzählt.
Ich habe das Buch deshalb an Sarah empfohlen, weil sie sich in ihrem Podcast „Eigenstimmig“ mit einem ganz ähnlichen Thema befasst. Zusammen mit Julia Meder besucht sie Frauen in ganz Deutschland und interviewed sie zu ihrem beruflichen Werdegang und ihrem Umgang mit den Herausforderungen des Lebens. Dabei treffen sie sich ausschließlich mit Frauen, die bereits „angekommen sind“, wie Sarah und Julia das nennen. So erfahren wir eigentlich in jeder Folge von „Eigenstimmig“ davon, wie jemand gestärkt aus einer Krise hervorgekommen ist. Und dabei kann man unglaublich viel für sich mitnehmen. An dieser Stelle möchte ich deshalb auch eine ganz warme Podcast-Empfehlung mitgeben.
Als Podcasterin hat Sarah dann auch noch einmal eine weitere spannende Sichtweise auf das Buch, die mir bis dahin gar nicht so aufgefallen war:
Ich habe die Audiospur vermisst. Ich hätte so gern gehört, wie sich die Stimmen der Frauen anhören, wie es auf dem Dachboden klingt, in den Wohnzimmern und Küchen, in denen die Interviews stattfanden. Wann die Frauen Pausen machen, wann sie stocken und wann sie selbstsicher sind. Aber ein Buch ist nunmal ein Buch und dieses hier ist voller ehrlicher, authentischer Geschichten, die Mut machen. Mit Sicherheit sind die Geschichten auch deshalb so ehrlich, weil die Autorinnen Simone Unger und Christine Färber eine gewisse Anonymität und Geheimhaltung anbieten können, die bei einem Podcast schwerer umzusetzen ist. Ich bin sehr dankbar, dass Simone Unger und Christine Färber sich aufgemacht haben, diese Geschichten dieser Frauen Mitte 30 zu sammeln. Denn sie haben bei mir vor allem eins hervorgerufen: Das Gefühl nicht allein zu sein. Immer wieder habe ich mich in den Zweifeln, den Ängsten, den Überlegungen, den großen und kleinen Hürden wiedererkannt.
Unser Fazit zu „Alles auf Jetzt“
Dass uns beiden das Buch wirklich gut gefallen hat, ist sicherlich deutlich geworden. Deshalb gibt es eine ganz dringende Leseempfehlung. Naheliegenderweise ist „Alles auf Jetzt“ ein hervorragendes Geschenk zum 35. Geburtstag aller tollen Frauen.
Sarah: Alles in allem ist das Buch für mich ein wunderbares Stück Zeitgeschichte, von dem ich gern mehr hätte. Und vor allem hätte ich gern noch mehr von der Geschichte der Autorinnen selbst. Von ihren Erlebnissen auf der Reise, der Idee zum Buch bis zum ersten gedruckten Exemplar. Darüber, was dieses Buch mit ihnen und ihrer Freundschaft gemacht hat. Aber das ist vielleicht ein eigenes Buch, das ich auf jeden Fall lesen würde.
Die Feministin in mir ist begeistert, erlebt man doch selten einen so vielschichtigen Blick auf das Leben von Frauen. Und dass es sich dann auch noch um Frauen in meinem Alter handelt (grob gesagt) macht die Sache noch viel interessanter, denn die allermeisten Themen, mit denen dich die befragten Frauen auseinandersetzen haben mich auch schon beschäftigt oder werden wieder zum Thema in meinem Leben werden. Zu sehen, wie andere mit Fragestellungen umgehen oder wie sie zu Ergebnissen im Entscheidungsprozess kommen, war sehr wertvoll für mich.
Ich würde mich freuen, wenn Ihr mit dem Kauf dieses Buches eine Buchhandlung in Eurer Stadt unterstützt. Wer lieber online bestellt, dem lege ich den gemeinnützigen Augsburger Online-Buchhandel Buch7 ans Herz.