CEO in Teilzeit - Mama und Chefin

Gastbeitrag von Andrea Pfundmeier, CEO des Augsburger Startups für Verschlüsselungssoftware Boxcryptor. Zusammen mit Mitgründer Robert Freudenreich hat Andrea 26 Mitarbeiter und leitet ein IT Unternehmen mit Kunden aus der ganzen Welt.

16. März 2018
Lesezeit: 5 min

Gastautorinnen gibt es hier nur selten. Ich freue mich sehr darüber, dass Andrea mir Ihre Erfahrungen als Mama in Führungsposition aufgeschrieben hat. Andrea ist meine Chefin. Sie war heute daheim bei ihrer Tochter, weil sie an Donnerstagen nie arbeitet. Ich war heute daheim bei meiner Familie, weil wir meine ganze Familie einer Kindergartenseuche erlegen sind. Und trotzdem brummt der Laden, wie die aktuellen Zahlen beweisen. Ein Grund mehr, sich neugierig damit zu beschäftigen, wie Andrea das alles so wuppt, wie man so schön sagt...

Gastbeitrag: CEO in Teilzeit

Im Januar 2017 habe ich zum zweiten Mal gegründet: Nach der Gründung meines Unternehmens im Jahr 2011 wurden mein Mann und ich Eltern und haben somit erfolgreich das Thema Familiengründung angegangen. 

Andrea mit ihrer Tochter

Die ersten 6 Monate nach der Geburt war ich in Elternzeit, anschließend folgten 6 Monate Elternzeit meines Mannes, in denen ich wieder komplett Vollzeit im Büro war. Nun ist unsere Tochter ein Jahr alt und wir nutzen die Partnerschaftsbonusbonate, die uns im Rahmen des Elterngeld Plus zustehen: 4 Monate reduzieren wir beide unsere Stunden um unsere Tochter zu betreuen. Einen Kitaplatz gibt es nämlich erst im September. 

4 Wochen der Teilzeit - für mich bedeutet das 25 Stunden pro Woche - sind vorbei und somit eine gute Gelegenheit, ein erstes Fazit zu ziehen. 

Das Gute vorab: CEO in Teilzeit klappt.

Die Rahmenbedinungen: Ich arbeite 25 Stunden, verteilt auf 3 Tage: Montags und Dienstags jeweils 10 Stunden, Freitags 5 Stunden. Natürlich mit den üblichen Abweichungen aufgrund von Terminen, Veranstaltungen etc. 

Andrea im Büro

Viele der Vorbereitungen, die ich bereits vor den ersten 6 Monaten Elternzeit getroffen hatten, haben mir auch dieses Mal geholfen:

Delegieren

Egal aus welchem Gründen man als Gründer eine Auszeit nimmt (gewollt oder ungewollt), Delegation ist das Wichtigste überhaupt. Wie das geht? Es ist wie bei einem Umzug: Man fasst alle Teile, die man besitzt an und entscheidet bei jedem, ob man es behält oder entsorgt. Genauso war es damals bei mir. Bei jeder Aufgabe, die ich erledigte, oder jeder Email, die ich schrieb überlegte ich: Muss ich das machen? Oder kann das nicht auch jemand anders übernehmen?

Und auch wenn sich das einfach anhört: Als Gründerin ist man natürlich grundsätzlich davon überzeugt, die Einzige zu sein, die etwas zu 100% richtig erledigen kann. Manche Aufgaben gibt man leichter ab, manche schwerer. Aber das Abgeben ist wichtig. Und aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Meistens klappt Delegation wunderbar. Wo wir auch schon beim zweiten Punkt sind:

Das richtige Team

Delegation klappt nur, wenn man darauf vertrauen kann, dass die Aufgaben (eigen-)verantwortlich übernommen werden. Wenn ich Aufgaben abgebe, möchte ich ruhigen Gewissens schlafen können, ohne mir Sorgen zu machen, dass die Themen nicht richtig bearbeitet werden. Denn oft ist es so, dass die Mitarbeiter natürlich wissen, dass man als Gründer(in) immer als "Feuerlöscher" oder "Notfall-Kontakt" zur Verfügung steht.

Im Zweifel können sich Mitarbeiter darauf verlassen, dass die hohe Rechnung nochmal gecheckt wird, dass der Flyer nochmal überflogen wird, das Software-Update getestet wird und wenn alle Stricke reißen, stehen immer noch die Gründer im Hintergrund. Das ist natürlich auch trotz Eltern- bzw. Teilzeit so, allerdings ist es ein riesen Unterschied, ob Mitarbeiter Projekt mit dem Wissen um diesen "doppelten Boden" bearbeiten, oder ob sie die entsprechende Verantwortungsbewusstsein haben.

Man braucht Mitarbeiter, die den Willen und den Mut haben, den eigenen Kopf für Projekte hinzuhalten, und zwar von Anfang bis Ende. Die so arbeiten, dass sie zwar einen doppelten Boden haben, aber diesen nicht brauchen.

Der richtige Partner

Zum richtigen Team gehört - zumindest in meinem Fall - auch mein Mitgründer Robert. Dieser ist ganz normal im Büro verfügbar und übernimmt zum Glück auch einiges im Tagesgeschäft, das sonst bei mir gelandet wäre. Ohne diesen Partner, der mich immer und in jeder Situation unterstützt hat und mir den Rücken freihält, wäre es sonst definitiv schwer gewesen.

Er springt bei Terminen ein, die ich nicht wahrnehmen kann oder übernimmt zeitkritische Dinge, die ich nicht schaffe.

Neben dem Mitgründer ist da natürlich auch mein privater Partner: mein Ehemann. Auch hier bekomme ich die Unterstützung, die ich benötige um Job und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Fokus setzen und Nein sagen

Wenn ich im Büro bin, versuche ich so fokussiert wie möglich die wichtigen Aufgaben zu erledigen. Dazu gehört aber auch bewusst "nein" zu sagen. Nein zu Veranstaltungen die doch nicht 100% zu mir passen. Nein zu Aufgaben, die auch jemand anders gut erledigen kann.

Und dann bin ich doch immer wieder überrascht, dass ich trotz Teilzeit so gut wie alle wichtigen Aufgaben und Themen bearbeiten kann, die anfallen. Ich hoffe, ich kann mich den Mut "Nein" zu sagen, auch nach den Teilzeitmonaten bewahren. 

Natürlich gibt es auch Dinge, die schwierig sind: 

  • Dadurch, dass ich Mittwochs und Donnerstags nicht im Büro bin, bekomme ich zwar vieles, aber nicht alles mit. Gerade der persönliche Kontakt zum Team kommt da oft zu kurz. Wenn ich im Büro bin, muss ich versuchen möglichst effizient meine Aufgaben zu erledigen, ohne Zeit für Smalltalk/Diskussionen etc. zu verlieren. Auch fehlt mir oft Detailwissen bei einzelnen Projekten. Wie ist der genaue Stand, worauf warten wir, wer muss noch Feedback geben etc. Viele dieser Dinge werden in unserem Unternehmen nicht schriftlich notiert sondern mündlich besprochen. Blöd, wenn man dann nicht da ist. Viele Dinge werden dadurch auch leider verzögert, da noch auf mein Feedback gewartet wird, oder ich sie einfach selbst erledigen muss.
  • Veranstaltungen/Event: Ich werde häufig zu Veranstaltungen eingeladen und gehe grundsätzlich auch gerne zu Podiumsdiskussionen, Messen, Round Tables etc. Aktuell bleibt allerdings vieles liegen, da ich entweder keine Betreuung für meine Tochter habe (der Papa arbeitet ja schließlich auch und Oma und Opa haben auch nicht immer Zeit) oder weil ich gerade Abends oder am Wochenende meine Zeit einfach lieber mit meiner gesamten Familie - Mann und Tochter - verbringen möchte. 
  • Fokus: So sehr ich an den Arbeitstagen versuche, mich auf die Arbeit zu fokussieren, genauso möchte ich auch die Zeit mit meiner Tochter bewusst erleben. Aber hier ein kurzer Blick in die Emails. Da ein kurzes Telefonat mit dem Büro. Schnell noch gucken, was im Intranet gepostet wird. Und schwups, schon habe ich ein doppeltes schlechtes Gewissen. Gegenüber meiner Tochter, weil ich meine Zeit nicht komplett ihr widme und gegenüber meinem Mitgründer und meinem Team, weil ich nicht da bin und sie unterstützen kann. Das fällt mir oft schwer und eine richtige Lösung habe ich hier auch nicht gefunden. Ich befürchte, das schlechte Gewissen wird mich noch eine ganze Weile verfolgen. 

Insgesamt kann ich aber sagen, dass das Projekt "Teilzeit-CEO" bisher sehr erfolgreich verläuft. Natürlich bin ich auf die nächste Runde Feedbackgespräche gespannt und hoffe, dass mein Team der gleichen Meinung ist...

Wenn Ihr mehr von und über Andrea lesen wollt, schaut Euch ihre Profile auf Twitter und Instagram an oder Ihre Firma Boxcryptor.