Als ich dieses Buch in Händen hielt bekam es sofort von mir den Stempel: Lebensretter-Ratgeber. Pfui Bäh! Ich hasse solche Bücher und glaube schon aus Prinzip nicht daran, was in schlauen Merksätzen verkündet wird. Dennoch habe ich dieses Buch auf meine Leseliste gesetzt - man will ja den Lesern etwas Vielfalt bieten...

21. September 2015
Lesezeit: 3 min

Felicitas Richter: Schluss mit dem SpagatSchon das Cover ärgert mich. Diese perfekt manikürten Fingernägel und die exakt gefüllten Fläschchen mit abgepumpter Muttermilch... So eine Idylle gibt es doch nur in Hollywoodfilmen - kurz bevor der Ehemann mit der Sekretärin durchbrennt. Der Untertitel Wie sie aufhören, sich zwischen Familie und Beruf zu zerreißen lässt mich gequält lachen. Na, da bin ich ja mal gespannt.

Und dann die erste Überraschung: Die ersten 20 Seiten des Buches bestehen aus einer sehr scharfsinnig beobachteten Bestandsaufnahme der Situation von Familien heute. Wie kommt es überhaupt dazu, dass man, egal ob im Büro oder im Sandkasten, permanent ein schlechtes Gewissen hat? Hier geht es um gesellschaftlichen Druck und Erwartungen, aber auch um die Vorurteile von Kollegen und Personalabteilungen und um den eigenen Anspruch auf Perfektion.

Nun halte ich mich selbst für eine relativ ausgeglichene Mutter, die solche Bücher natürlich überhaupt nicht braucht. Aber diese schlaue Analyse hat mir extrem viel gebracht, denn wenn man die katastrophalen Gemütszustände anderer Eltern erfährt, dann wird man automatisch aufmerksam. Wehret den Anfängen!

Danach erklärt die Autorin, warum die klassichen Work-Life-Balance-Ansätze alle gescheitert sind und erläutert ihre eigene Methode des simple present. Natürlich besteht auch ihre Methode aus mehreren Schritten.

Die Aktivitäten-Landkarte.

Ich werde dazu aufgefordert, eine Liste mit all den Tätigkeiten zu erstellen, die ich zu erledigen habe. Damit ist keine To Do Liste gemeint wie Briefmarken kaufen, Reifenwechsel, etc. sondern eher eine Liste von allgemeinen Aufgaben, die man selbst übernommen hat oder tun muss. Also: Wäsche waschen, Putzen, Papierkram, mit den Kindern zum Arzt gehen... Es sind aber nicht nur Pflichten damit gemeint. Es geht auch um Hobbys und Sport, also um Sachen, die man gerne macht. Und auch in beruflicher Hinsicht soll man aufschreiben, welche Tätigkeiten man abseits der eigentlichen Arbeit übernommen hat (ich bringe zum Beispiel täglich die Geschäftspost zum Briefkasten, weil der bei mir günstig auf dem Arbeitsweg liegt).

Danach soll man die verschiedenen Tätigkeiten mit rot, gelb oder grün markieren.

  • rot = Aufgaben, die einem Energie rauben und einen nicht befriedigen. Klassischerweise sind das die Dinge, die man endlos vor sich her schiebt.
  • gelb = Aufgaben, die man entweder nicht gerne macht oder nicht gut kann. Irgendetwas sträubt sich innerlich gegen die Erledigung dieser Aufgaben.
  • grün = Aufgaben, die man gerne macht und gut kann. Das sind die Dinge, bei denen man seinen Perfektionismus richtig ausleben kann.

Um meine Aktivitäten-Landkarte zu erstellen habe ich mir eine Woche Zeit gelassen und jeden Abend einen Notizzettel in meinem Handy bearbeitet und ergänzt. Das Ergebnis sind 6 rote Aufgaben, 11 gelbe und 9 grüne.

Der nächste Schritt besteht daraus, die ungeliebten Aufgaben wegzuorganisieren. Das klappt bei der Steuererklärung natürlich weniger gut (mein Mann hasst die noch mehr als ich) als beim Blumengiessen (kann eventuell das Kind übernehmen). Tatsächlich geht es der Autorin wohl darum, dass man ein anderes Gefühl für bestimmte Aufgaben bekommt. Also dass man merkt, dass man an seiner Situation etwas ändern könnte. Und wahrscheinlich soll man auch ein Bewusstsein dafür bekommen, dass nicht alles blöd (stressig) ist und man mit einem Zaubertrick alles schön (entspannt) machen kann. Vielmehr sind es die zahlreichen kleinen Stellschrauben, an denen man drehen soll, um den Alltag besser zu bewältigen und langfristig eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen.

Was ich sonst noch alles durch dieses Buch gelernt habe, erzähle ich Euch in der nächsten Ausgabe von Vereinbarkeit: Wie man mit Job und Kind stressfrei den Tag übersteht -Teil 2.

Das Buch Schluss mit dem Spagat von Felicitas Richter ist bei südwest (Verlagsgruppe randomhouse) erschienen. Es umfasst 208 Seiten und kostet 17,99 €. Wir danken dem Verlag für die Bereitstellung eines kostenlosen Rezensionsexemplares.