Guter Sex

Warum es geil ist, Dinge zu lernen, von denen man denkt, man kenne sie schon.

12. Juni 2019
Lesezeit: 6 min

Kombiniert man die Worte Sex und Internet gelangt man gedanklich ziemlich schnell zum Porno. Und damit meine ich massenmedial vermarktbares, gut ausgeleuchtetes Gerammel. Ich mag Sex, aber nicht das, was mir die Erwachsenenfilmindustrie als Sex verkauft. Ich habe andere spannende Angebote im Internet gefunden, die mir die Abende versüßen und meine Beziehung noch besser machen.

Hauptsache, Ihr habt Spaß

Lange bevor ich wusste, was das Wort Feminismus bedeutet, kam mir die Rollenverteilung in den Mainstream-Pornos seltsam vor. Die Frauen waren passiv und hatten keine Schamhaare, die Männer zeichneten sich durch sorgfältig definierte Muskeln und dümmliche Bemerkungen aus. Ich hörte relativ früh davon, dass die Bilder, die wir in solchen Filmen sehen, unser eigenes Sexualleben stark prägen. Darauf hatte ich keine Lust und hielt mich fern. Ich ahnte als Teenager schon, dass diese Art von Rollenverteilung nicht zu mir passen würde. Natürlich blieben auch mir peinliche und seltsame Erfahrungen im Bett nicht erspart. Rückblickend kann ich so manches Erlebnis eindeutig auf den Pornokonsum des jeweiligen Partners zurückführen.

The sex-positive movement does not, in general, make moral or ethical distinctions between heterosexual or homosexual sex, or masturbation, regarding these choices as matters of personal preference. Other sex-positive positions include acceptance of BDSM and polyamory as well as asexuality. The sex-positive movement is also concerned with the teaching of comprehensive and accurate sex education in schools.

Als ich in den letzten Jahren über die sozialen Netzwerke immer tiefer in die feministische Szene eingetaucht bin, lernte ich viele neue Begriffe. Für mich ist Sex Positivity einer der wichtigsten davon. Sex positive ist man, wenn man an die sexuelle Freiheit glaubt und dafür einsteht, dass Sex zwischen Erwachsenen frei von gesellschaftlichen Zwängen, freiwillig und lustvoll stattfinden kann. Es geht darum, die eigenen und die Grenzen des Gegenübers zu erkennen und zu respektieren. Erlaubt ist, was den Beteiligten Spaß macht.

Für mich interpretiere ich Sex Positivity so, dass es egal ist, wer aktiv oder passiv ist. Es ist auch egal, wer “oben” oder “unten” ist oder ob jemand kopfüber hängt. Es wird nicht nachgerechnet, wer wann wem wie lange was “gegeben” hat, sondern einfach so lange rumprobiert, gewackelt und gelacht, bis alle erschöpft sind.

Im Austausch

Reden hilft da natürlich. Reden beim Sex, reden vor dem Sex, währenddessen und unbedingt auch danach. Und am nächsten Tag. Ich will wissen, wie es meinem Partner geht, was ihm gefällt und was er sich vorstellt. Ich will erfahren, welche Phantasien wir möglicherweise beide haben und welche Dinge überhaupt nicht in Frage kommen. Ich will erzählen, wie sich meine Stimmung im Laufe meines Zyklus verändert und hören, welche Erfahrungen er in früheren Beziehungen gemacht hat.

Die Lockerheit, über Vorlieben, Selbstbefriedigung und Fetisch entspannt und auf Augenhöhe zu reden, kam nicht von selbst. Lange Gespräche und und einen engen Kontakt miteinander pflegen wir schon seit Beginn an. Wir bilden uns viel darauf ein, dass wir eine gute Gesprächskultur haben, pflegen diese auch und sprechen Konflikte sofort an. Dabei gehen wir stets davon aus, dass das Gegenüber es grundsätzlich gut meint. In so einem Setting fällt es entsprechend leicht, über Sex zu sprechen.

Lebenslanges Lernen

Das mit der feministischen Filterblase ist oft anstrengend. Patriarchat, Misogynie und Pro Life sind nur drei der Themenkomplexe, die mir Kopfschmerzen bereiten und mich wütend machen. Die leichteren Themen in meinen Timelines auf Twitter, Facebook und Instagram sind die, mit denen ich meine Ehe und mein Sexleben verbessern kann. Vor allem auf Instagram habe ich ein paar sehr gute Accounts gefunden.

Sextapes Podcast

Screenshot Instagram Account Sextape Podcast

Im Gegensatz zu anderen Sex Podcasts sind die beiden Sprecherinnen Lili & Lotte anonym. Das ermöglicht ihnen, detailliert, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Dabei geht es aber eben nicht darum, sensationslüstern den Abenteuern von zwei Frauen zu lauschen. Vielmehr beschreiben sie aus biologischer Sicht, was im Körper passiert, wie die Nerven zusammenhängen und welche Erfahrungen sie mit unterschiedlichen Sexpraktiken gemacht haben. Jede Folge hat ein Thema, so dass man sich aus den Sendungen der letzten Jahre einfach das herauspicken kann, was einen interessiert. Je nach Anlass gibt es auch mal Gäste. Ich konnte von Lili & Lotte jedenfalls noch einiges lernen.

Cycles+Sex

Screenshot Instagram Account Cycles+Sex

Dieser Account ist humorvoll und künstlerisch. Geboten wird eine kurzweilige Mischung aus Photoshop-Art und Fakten. Alles ist hochwertig aufbereitet und das Team betreibt eine ziemlich supere Webseite. Das Motto ist: This stuff is hard to talk about so we’re making it easier for ya! Hier werden Fakten rund um Geschlechtsteile und Körper so aufbereitet, dass man sich nicht für dumm verkauft fühlt, und trotzdem in Bereichen noch dazulernt, bei denen man dachte, dass man sich bereits einigermaßen gut auskennt. Hier werden auch Themen wie Verhütung und Consent angesprochen. Und es gibt einen ziemlich gut gemachten Newsletter.

Vulvinchen

Screenshot Instagram Account Vulvinchen

Agi Malach ist Sexeducater, Aktivistin und Speakerin. Sie hat das Label Vulvinchen gegründet und vertreibt Schmuck und Aufkleber mit Vulva-Symbolen. So hilft Agi dabei, den Umgang mit dem weiblichen Geschlechtsteil zu normalisieren und die korrekten Bezeichnungen - Vulva, Klitoris, Vagina - zu etablieren. Denn “da unten” ist viel zu unkonkret - sei es nun im medizinischen Kontext oder wenn es darum geht, sich mit Sexpartnern und Sexpartnerinnen auszutauschen.

Erika Lust

Screenshot Erika Lust Instagram Account

Erika Lust bezeichnet sich als Indie Adult Filmmaker, sie macht also Pornos. Ihre Filme unterscheiden sich von den eingangs erwähnten nicht etwa durch weniger Gerammel, sondern durch die Kameraperspektive. Erika Lust zeigt, dass ihre Darsteller und Darstellerinnen mit Lust bei der Sache sind. Sie zeigt Gesichtsausdrücke, Handgriffe, geht in die Totale und macht Close Ups. Sie macht Sex hörbar und scheißt auf Rollenklischees. Dabei ist sie nicht weniger explizit. Sie schafft vielmehr eine wesentlich höhere Intimität als ich das bisher kannte.

Erika Lust betreibt ein ganzes Universum an Webseiten, indem man sich auch gerne mal ein bisschen verirrt. Man kann Filme online kaufen, Mitgliedschaften abschließen oder ihren Blog lesen. Zum Female Masturbation Month hat sie sogar einen Film kostenfrei zur Verfügung gestellt. Sehr spannend ist auch ihr Ansatz der Porn Conversation - einem Aufklärungsgespräch, das man mit seinen Kindern führen sollte.

Und weil es grad so schön passt: Hier noch eine geniale Illustration zum Thema Mainstream Porn, auf die ich mich auf Instagram verliebt habe. Die Künstlerin Hazel Mead hat mir die Erlaubnis gegeben, sie hier zu zeigen.

'THINGS YOU DON'T SEE IN MAINSTREAM PORN' by Hazel Mead

Ihr könnt das Bild hier als Poster kaufen (Versand aus GB). Bitte schaut auch Hazels Instagram Account an. Sie hat hat noch viele weitere geniale Illustrationen dieser Art zusammengestellt.

Sex und Gleichberechtigung

Ich bin davon überzeugt, dass die Art, wie Menschen miteinander umgehen, ein Gradmesser für ihre moralische Integrität ist. Überspitzt formuliert: Man kann kein schlechter Mensch sein und guten Sex haben. Die Fähigkeit, sich auf jemanden einzulassen, Spielräume und Grenzen zu erkennen, gleichzeitig aber auch die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu artikulieren setzt ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz voraus. Für mich führt diese Erkenntnis zu dem Umkehrschluss, dass ich mit einem Partner, der mich im Bett respektvoll Behandelt, auch im Alltag respektvoll zusammenleben kann. Ich habe so einen gefunden und wünsche dieses Lebensglück auch Dir.